Was macht ein Team erfolgreich? Man könnte annehmen, dass die besonderen Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder entscheidend sind. Klar, diese sind wichtig, aber viel wichtiger ist das Zusammenspiel. Das ist bei einer Fussballmannschaft oder bei einem Orchester gut nachvollziehbar. Nur in der Resonanz und im Miteinander kann eine solche Gruppe wirklich gute Leistungen erbringen.
Dass diese Erkenntnis auch für Teams im Arbeitsleben sehr relevant ist, hat Google 2016 mit ihrem Aristoteles-Projekt gezeigt. Darin wurden die Erfolgsfaktoren von 200 Teams untersucht und es zeigte sich, dass das “Wer” weniger entscheidend war als das “Wie” der Zusammenarbeit. Selbst wenn das Team aus Toptalenten bestand, bedeutete dies nicht, dass es dadurch automatisch besonders effektiv arbeitet.
Der wichtigste Faktor, der die leistungsstärksten Teams auszeichnete, war die psychologische Sicherheit. Mitglieder in Teams, in denen psychologische Sicherheit vorhanden war, kündigten seltener, brachten mehr Umsatz und wurden von Vorgesetzten als effektiver eingeschätzt.

Was ist dieses “Wundermittel” psychologische Sicherheit?

Psychologische Sicherheit bedeutet, dass Teammitglieder in der Zusammenarbeit Risiken eingehen können, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Dies bedeutet, dass eine Atmosphäre im Team besteht, in der Teammitglieder eigene Ideen oder kritische Meinungen äussern können, ohne Angst zu haben, von den anderen ausgelacht zu werden oder sich zu blamieren. Hierfür ist zudem Respekt, echtes Interesse und gutes Zuhören nötig.
infografik zu ideenfindung
Das klingt einleuchtend und naheliegend. Tatsache ist jedoch, dass psychologische Sicherheit in Teams eher die Ausnahme als die Regel ist. Oft melden sich Teammitglieder nicht zu Wort, weil sie denken, ihr Beitrag sei nicht wichtig oder sie könnten sich damit blamieren. Psychologische Sicherheit bedingt, dass Hierarchien in den Hintergrund rücken und eine Begegnung auf Augenhöhe stattfinden kann. Und natürlich kann psychologische Sicherheit innerhalb eines Unternehmens ganz unterschiedlich ausgeprägt sein.

Angst behindert das Lernen aus Fehlern

Damit Teammitglieder offen ihre Meinung sagen, braucht es eine Kultur, in der Fehler adressiert und als Teil des Lernprozesses gesehen werden. Eine solche Kultur gibt Raum für neue Sicht- und Herangehensweisen, Kreativität und Innovationen. Eine Positivspirale kann entstehen, indem Fehler als Lernquelle gesehen werden. Wenn Teammitglieder sich hingegen zurückhalten und sich dem Gruppendenken anpassen, weil sie Angst haben, dass ihre Offenheit bestraft wird, kann dies zu einer Negativspirale führen.
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Redebeiträge sollten ausgeglichen sein

Die heutige Arbeitswelt ist komplex. Arbeitsaufgaben kann man sich deshalb als eine Art Puzzle vorstellen, das es zu lösen gilt: Jedes Teammitglied hat ein wichtiges Puzzleteil – die individuelle Erfahrung oder Expertise – das die anderen nicht haben. Es wäre also unklug zu denken, der eigene Anteil sei nicht wichtig. Es mag nur ein kleines Puzzleteil sein, trägt aber zum Gelingen des grossen Ganzen bei. Google hat ausserdem festgestellt, dass in erfolgreichen Teams der Redeanteil der einzelnen Teammitglieder über die Zeit weitgehend ausgeglichen war. Wer sich gesehen fühlt, wird eher Risiken in der Beziehungsgestaltung eingehen. Auch kritische Themen kommen auf den Tisch, weil niemand negative Konsequenzen befürchten muss.
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Zurückhaltende oder perfektionistische Menschen melden sich oft weniger zu Wort, weil sie dazu tendieren, den Wert ihrer Beiträge zu unterschätzen. Das Team kann enorm davon profitieren, wenn eine Kultur vorhanden ist, in der sich diese Teammitglieder sicher fühlen.
 

Psychologische Sicherheit und die Coronapandemie

Die Idee der psychologischen Sicherheit ist nicht neu: Bereits 1965 haben Edgar Schein und Warren Bennis dieses Konzept als Erfolgsfaktor für Veränderung beschrieben. Auch Amy Edmondson, Professorin an der Harvard Business School und Autorin des Buches “The Fearless Organisation”, betont seit den 1990er Jahren die Bedeutung der psychologischen Sicherheit. Edmondson hatte in Spitälern Teams begleitet und festgestellt, dass diese umso effektiver waren, je besser es ihnen gelang, offen über Fehler zu reden und daraus zu lernen.

„Für Jobs, bei denen Lernen oder Zusammenarbeit für den Erfolg erforderlich ist, ist Angst kein effektiver Motivator.“
Amy Edmondson
In der VUCA-Welt wird von aussen wenig bis keine Stabilität gewährleistet. Darum müssen Teammitglieder von innen heraus eine stabile Arbeitsumwelt schaffen. Die Coronapandemie hat uns das deutlich vor Augen geführt. Teams, in denen bereits eine Kultur des Vertrauens gelebt wurde, fiel es leichter, ihre Zusammenarbeit ins virtuelle Setting zu verlegen. Vorgesetzte, denen Kontrolle und physische Präsenz wichtig waren, hatten es mit den Pandemie-bedingten Veränderungen bei der Arbeit deutlich schwerer.

Auch nach der Pandemie werden wir flexibel und hybrid weiterarbeiten – im Büro, im Home Office oder im Co-Working Space. Damit dies gut gelingt, ist psychologische Sicherheit unabdingbar.

 


Wie könnt Ihr die psychologische Sicherheit in Euren Teams stärken?

    • Die Haltung ist entscheidend: Sei als Führungskraft nahbar, stehe zu Unsicherheiten. Erwähne eigene Fehler und reagiere unterstützend, wenn Mitarbeitende Ideen und Kritik anbringen.
    • Aufweichung von Hierarchien: Ermutige Deine Mitarbeitenden, auch “nach oben” Feedback zu geben.
    • Eine Vertrauenskultur schaffen: Zeige ehrliches Interesse an Deinen Mitarbeitenden. Lerne den ganzen Menschen kennen, nicht nur den Teil, den sie oder er am Arbeitsplatz zeigt.
    • Aus Fehlern lernen: Sprecht offen über Fehler, damit ihr als Team daraus lernen könnt. Noch erleben wir unsere Arbeitsumgebung als Ort der Ausführung – in Zukunft wird sie jedoch mehr ein Ort des Lernens sein.
    • Gleiche Redeanteile: Achte in Meetings darauf, dass alle zu Wort kommen und die Redeanteile der Teilnehmenden über die Zeit ausgeglichen sind. Übt Euch darin, gut zuzuhören und bei Unklarheiten nachzufragen. Macht Euch vertraut mit dem Konzept der gewaltfreien Kommunikation.
    • Vorbild sein: Als Führungskraft musst Du den Anfang machen. Frag deine Teammitglieder einzeln, was sie benötigen, damit sie sich im Team sicher fühlen.

Wir Menschen haben einerseits das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Harmonie. Andererseits wollen wir als Individuen wahr- und mit unserem Standpunkt ernstgenommen werden. Psychologische Sicherheit hilft dabei, diese beiden gegensätzlichen Interessen unter einen Hut zu bringen – nicht nur am Arbeitsplatz.

 

Möchtest du die psychologische Sicherheit in deinem Team messen und dann verbessern? Melde dich bei uns auf hi@gbynd.com